Kazuo Ishiguro: Alles, was wir geben mussten

Es wundert mich sehr, dass ich nicht eher auf Ishiguros Roman „Alles, was wir geben mussten“ gestoßen bin. Das Buch erschien bereits 2005 unter dem Originaltitel „Never let me go“, inzwischen ist es in deutscher Übersetzung als Taschenbuch erhältlich.

Ein „fesselndes Meisterwerk“ – so beschreibt es der Klappentext. Ich kann das nur unterstreichen und bin froh, dass ich durch einen lieben Tipp auf dieses Buch aufmerksam geworden bin.

Kazuo Ishiguro: Alles, was wir geben mussten
Kazuo Ishiguro: Alles, was wir geben mussten

Das Buch und sein Inhalt

„Kathy, Ruth und Tommy wachsen in einem Internat auf, das auf den ersten Blick wirkt wie jedes andere: ein Sportplatz, freundliche Klassenzimmer, getrennte Schlafsäle für Jungen und Mädchen. Doch die Kinder in Hailsham werden dazu erzogen, einer besonderen Bestimmung zu folgen – und sie spüren alle, dass sie keine richtige Zukunft haben.“

Viel mehr möchte ich auch gar nicht von dem Inhalt des Buchs preisgeben. Die Gefahr, zu viel zu verraten, ist einfach zu groß. Ich möchte lieber etwas über die drei Protagonisten erzählen und zwei Passagen zitieren, die mich besonders berührt haben.

Die Protagonisten

Kathy ist die wichtigste Protagonistin von „Alles, was wir geben mussten“. Sie schildert ihre, Ruths und Tommys Geschichte, so wie sie selbst diese Geschichte erlebt. Kathy spricht dich als Leser direkt an. Sie erzählt dir persönlich all das, was geschehen ist, was einer der drei oder auch eine andere Person des Romans gesagt oder getan hat.

Die Art, wie sie diese Erlebnisse erzählt, habe ich von Anfang an sehr gemocht. Kathy selbst habe ich von der ersten Seite an in mein Herz geschlossen. Sie ist ehrlich, selbstkritisch und empathisch. Sie kann sich sehr gut in ihre Freunde hineinversetzen.

Ruths Verhalten habe ich als dominant und manipulativ empfunden. Daher war sie mir von Anfang an unsympathisch. Mit dem Wissen um die Geschehnisse in Hailsham jedoch sehe ich Ruths Verhalten im Nachhinein etwas wohlwollender.

Und Tommy ist einfach nur lieb!

Ausgewählte Zitate

„Und ich sah ein kleines Mädchen, das mit fest geschlossenen Augen die freundliche alte Welt an die Brust drückte, eine Welt, die, das wusste sie in ihrem Herzen, nicht bleiben konnte, […]“

Es ist nur ein kleiner Ausschnitt eines langen Absatzes. Die Sätze dieses Abschnitts bringen Gefühle einer Person zum Ausdruck, über die du bis zu diesem Zeitpunkt wenig Informationen bekommst. Ganz besonders interessant finde ich, dass sich diese Passage auf den Originaltitel „Never let me go“ bezieht.

„Ich muss immer wieder an ein bestimmtes Bild denken, einen Fluss, der wild und reißend ist. Und zwei Menschen darin, die sich aneinander festzuhalten versuchen, sie halten sich, so fest sie können, aber irgendwann schaffen sie´s nicht mehr, weil die Strömung zu stark ist.“

Tommys Worte: Eine wunderschöne, aber traurige Metapher!

Meine Meinung und Fazit

Alles, was wir geben mussten“ ist ein überaus lesenswertes Buch, das dich von der ersten Seite an nicht mehr loslassen wird. Abgesehen von der besonderen Bestimmung der Kinder in Hailsham, die in diesem gelungenen Roman thematisiert wird, handelt die Geschichte von Freundschaft, Liebe und Menschlichkeit.

Während des Lesens habe ich mir für Kathy und ihre Freunde Momente der Liebe und Unbeschwertheit herbeigesehnt. Und kaum habe ich solche Momente entdeckt, wollte ich sie festhalten und habe mir mehr davon gewünscht.

Das Buch mit dem Originaltitel „Never let me go“ geht unter die Haut. Die Besonderheit der Kinder sowie die damit einhergehende Problematik und das Konfliktpotential mit der restlichen Welt haben mich sehr nachdenklich gestimmt.

Bibliographische Angaben und Bestellmöglichkeit

Kazuo Ishiguro: Alles, was wir geben mussten
Taschenbuch, erschienen 2016 im Heyne Verlag,
352 Seiten, ISBN 978-3-453-42154-7

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